Am Tag der deutschen Einheit wollen wir einen kurzen physiotherapeutischen Blick auf die damalige Zeit der Wiedervereinigung werfen. Wie war die Krankengymnastik in der Bundesrepublik Deutschland (BRD)? Wie die Physiotherapie in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)?
Physiotherapie in der BRD
Mit dem Ende der 80er Jahre war die Krankengymnastik in der BRD als ein eigener Berufsstand bereits seit mehreren Jahren fest etabliert. Sie hat neben einem eigenen Berufsverband, einer eigenen Zeitschrift auch einen Platz in nahezu allen klinischen Fachgebieten in der Medizin. Krankengymnast/innen entwickeln eigene Untersuchungs- und Behandlungstechniken und schreiben Lehrbücher selbst (früher hatten Ärzte entschieden, was in den Lehrbüchern der Krankengymnastik zu stehen hat).
Physiotherapie in der DDR
Die Krankengymnast/innen in der DDR dagegen hatten keinen eigenen Berufsverband, sondern waren als Arbeitsgemeinschaften in den ärztlichen Fachverbänden vertreten. Durch diesen fachlichen Austausch beherrschte die Hierarchie in der sozialistischen Gesellschaft längst nicht so vordergründig die Kommunikation zwischen Arzt und Therapeut wie im Westen. Die Krankengymnastik wurde in der DDR schnell der internationalen Nomenklatur (Physiotherapie) angepasst. Physiotherapeut/innen arbeiteten in sogenannten Polikliniken, ambulanten medizinischen Zentren, die für die Bürger/innen offen war. Die Physiotherapie Abteilungen wurden von Fachärzten für Physiotherapie geleitet. Fortbildungen wurden zentral geplant und vergeben, in allen dieser Fortbildungen wurde die Ansicht einer sozialistischen Lebensweise – auch die/der Patient/in wurde im sozialistischen Sinne behandelt- vertreten. Anders als in der BRD gab es in der DDR Fachphysiotherapeuten (Sportmedizin, Funktionelle Störungen, Psychische Erkrankungen, usw.) und gymnastische Elemente sowie Trainingslehre waren stärker betont als in der BRD-Krankengymnastik.
Physiotherapie nach der Wiedervereinigung
Durch die Wiedervereinigung im Jahr 1989 wurden die Physiotherapeut/innen aus der DDR Physiotherapie und die Krankengymnasten/innen aus der BRD zusammengeführt. Die in der DDR sozialisierten Physiotherapeut/innen hatten nicht gelernt, ihre Kompetenzen nach außen selbstbewusst zu kommunizieren oder die eigene Leistungen hervorzuheben oder auch kritisch zu reflektieren, sodass sie den im Vergleich fachlich sehr selbstbewussten auftretenden West-Kollegen wenig Diskussion entgegenstellen konnten. Das Ergebnis war eine ganz allgemeine Unterschätzung und Unterbewertung der Lebens- und Berufsleistungen der Ost-Kollegen. Dies gilt im Übrigen auch für andere Situationen in dieser Zeit.
Eine schwierige Zeit stand bevor, da die ostdeutschen Physiotherapeut/innen sich in der Systematik der mehr als 100 Kostenträger für physiotherapeutische Leistungen und der freiberuflichen Möglichkeiten zurechtfinden mussten.
Im Jahr 1994 wurde das Berufsgesetz modernisiert und mit der Einführung des Begriffs Physiotherapie das „Masseur- und Physiotherapeutengesetz (MPhG)“ verabschiedet. Krankengymnast/innen heißen seitdem einheitlich Physiotherapeut/innen.
Aktuelle Situation
Ab dem 01. Juli 2019 bezahlen nun auch alle Krankenkassen bundesweit einheitliche Preise für physiotherapeutische Leistungen. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung wird gehofft, dass das große Ost-West Gefälle zumindest in der Physiotherapie geebnet werden kann.
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